Der 28jährige Yusuf Kilic sprüht vor Freude und Begeisterung. Nach mehrmonatiger Begleitung durch das Weinheimer Bildungsbüro hat er seinen Traumberuf gefunden: Der junge Kurde absolviert sein zweites Praktikum in einer Physiotherapie-Praxis und ist nun im Bewerbungsverfahren um einen Ausbildungsplatz. Dank Beraterin Carmen Setiabudi sind seine türkischen Abschlüsse anerkannt, die Bewerbungsunterlagen erstellt, der Weg bereitet.
„Es freut mich sehr, dass die wertvolle Arbeit des Weinheimer Bildungsbüros vielen Geflüchteten und Menschen mit Zuwanderungsgeschichte berufliche Perspektiven ermöglicht“, sagte die Landtagsabgeordnete Fadime Tuncer (Bündnis 90 / Die Grünen). Bei ihrem Besuch im Bildungsbüro ging es besonders um das Projekt TEMA.
Das Projekt kümmert sich seit 2010 erfolgreich um Aus- und Weiterbildung sowie berufliche Integration von Menschen mit Migrationshintergrund. Aber die Zukunft ist ungewiss: nach Ende der Förderung durch das baden-württembergische Wirtschaftsministerium „besteht für 2024 ein Defizit von 100 000 Euro“, berichtet die TEMA-Fachstellenleiterin Agathe Haastert. Die Abgeordnete Tuncer ist nun im Kontakt mit dem Wirtschaftsministerium und sucht nach weiteren Fördermöglichkeiten. „Ich bin von TEMA überzeugt und möchte das Projekt unterstützen“, sagt die Sprecherin für Integration der Landtagsfraktion der Grünen.
Das Ende der Förderung durch das Wirtschaftsministerium und den Europäischen Sozialfonds (ESF) von mehreren Migrant:innen-Projekten in 2021 „kam für uns überraschend“, sagt Haastert. „Uns waren weitere Förderphasen, gar eine Verstetigung, in Aussicht gestellt worden“. In der Begründung hieß es, die Rahmenbedingungen in der neuen Förderperiode des Europäischen Sozialfonds hätten sich geändert. „Aktuell sind wir nun durch die Stadt Weinheim, mehrere Stiftungen und die Firma Freudenberg bis Ende 2023 notfinanziert“, sagt Haastert. „Wie es danach weitergeht, wissen wir nicht“.
Das TEMA-Team informiert seit zwölf Jahren Eltern mit Migrationshintergrund über das deutsche Bildungssystem, damit sie den Schul- und Bildungsweg ihrer Kinder besser unterstützen können. Seit 2018 werden zudem Erwachsene bei eigenen Aus- und Weiterbildungen begleitet. Über 4300 Menschen vor allem türkischer, arabischer, kurdischer und bulgarischer Herkunft wurden während der vergangenen fünf Jahre durch die Sprach- und Kulturmittlerinnen erreicht, haben an Infocafés, Elterntreffs und anderen Angeboten teilgenommen. „Über 260 Menschen sind erfolgreich in Ausbildung, Praktikum oder Festanstellung vermittelt worden“, berichtet Haastert.
Es sind vor allem „die vielfältigen Zugänge in die verschiedenen Communities“ und die „gute Vernetzung mit regionalen Bildungsakteuren“, die den Erfolg ermöglichen, berichtet Bildungsbüro-Leiterin Sabine Michael. Dabei spielt die enge Kooperation mit Schulen, Job Central, Arbeitsagentur, Volkshochschule Badische Bergstraße und Welcome Center eine zentrale Rolle. Auch die Zusammenarbeit mit lokalen Vereinen, zum Beispiel dem Türkischen Elternverein (TEV), dem Fußballverein SC United Weinheim und Folkloregruppen, ist essentiell. Die Beratungstandems des Bildungsbüros, bestehend aus Beraterinnen und Sprach- und Kulturmittlerinnen wie Carmen Setiabudi und Güller Yildiz, stehen den Menschen mindestens zweisprachig mit Rat und Tat zur Seite. „Das Projekt profitiert sehr vom langjährigen Wirken unserer mehrsprachigen Fachkräfte“, ergänzt Agathe Haastert.
Auch Fadime Tuncer weiß, dass neben Deutschunterricht weitere Integrationsmaßnahmen notwendig sind – nicht nur für das Ankommen, sondern auch fürs Weiterkommen. „Integration ist keine Einbahnstraße. Persönliche Ansprache und tieferes Verständnis für die Herkunftskulturen der Menschen sind wichtig für eine erfolgreiche Integration“, sagt Tuncer. „Das Projekt TEMA erfüllt diesen Ansatz!“